Im Folgenden dokumentieren wir Thesen,
die der Autor zur Fragestellung »Friedensarbeit unter Druck von rechtsaußen«
auf der Landeskonferenz der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) am 27. April in Duisburg vorgetragen hat. (jW)
1.
Die Friedensbewegung in der Form der 80er Jahre ist definitiv Geschichte.
Ein relevanter Teil des politischen und kulturellen Milieus,
das sich der Friedensbewegung zurechnete,
ist Teil des neoliberalen Techkapitalismus (Rául Sánchez Cedillo) geworden wie die Grünen oder wichtige Fraktionen innerhalb der SPD.
Die Kirchen sind kaum noch von einem aktivistischen Pazifismus bestimmt.
Das war in den 80er Jahren anders.
Konservative Einzelstimmen konnten sich immer am Rand der Friedensbewegung artikulieren wie etwa Alfred Mechtersheimer.
Einzelne nationalrevolutionäre Grüppchen wollten in der Friedensbewegung,
die gegen den NATO-Doppelbeschluss mobil machte, in der Traditionslinie
von konservativ-revolutionären Strömungen der Zwischenkriegszeit, eine antiwestliche ultranationalistische Position einbringen und für diese werben.
Sie konnten nie eine relevante Rolle spielen.
Insgesamt war die Friedensbewegung klar dem (bürgerlich-)linken politischen Spektrum zuzuordnen oder zumindest war sie davongeprägt.
Traditionskommunistische Kräfte spielten darin immer eine große und nicht zu unterschätzende Rolle.
Mit der Zunahme multipler Krise hat sich nun auch ein multiples,
oft widersprüchliches Friedenslager herausgebildet.
Es folgt nicht mehr den klassischen Zuordnungen von links und rechts.
Gerhard Hanloser
Ostermarsch in Marburg (1.4.2024)
2.
Die alte Friedensbewegung oder gar antimilitaristische Stimmen (die, beispielsweise graswurzelanarchistische, immer eine Minderheit innerhalb der sehr breiten Friedensbewegung waren) sind marginalisiert.
Die widersprüchliche »neue Friedensbewegung« entstammt der neuen Protestbewegung, die sich im Zuge der Coronamaßnahmen artikulierte und deren aktivistische Kerne bereits die »Mahnwachen«-Bewegung 2015 bildeten.
Diese Protestbewegung ist schwer zu fassen.
Es wäre verkürzt und falsch, sie unisono der AfD oder anderen rechten bis rechtsradikalen Gruppen und Parteien zuzuschlagen.
Der Regierungspolitik und hegemonialen Medien begegnen viele Protagonisten dieser »neuen Friedensbewegung« mit einer fundamentalen Kritik und Ablehnung.
In ihr gibt es wissenschaftsfeindliche esoterische Stimmen wie auch wissenschaftsaffine und bildungshungrige Personen.
Sie präsentieren sich zuweilen als »jenseits von links und rechts« und pflegen eine Offenheit, die auch rechte bis rechtsradikale Kräfte unter sich duldet.
Dies war bereits während der Coronamaßnahmenbewegungen zu beobachten, die sich auch an reichskriegsflaggenschwingenden »Reichsbürgern« nicht stießen.
Geschärftes Krisenbewusstsein (für staatliche Kontrolle beispielsweise oder auch die Kriegsgefahr) wie offensichtliche Krisenleugnung (z. T. in Hinblick auf die Klimakrise oder die populistische bzw. neofaschistische Gefahr) gehen bei diesen »neuen Friedensfreunden« Hand in Hand.
In ihr finden sich sämtliche Probleme wie Chancen des aktuellen Kapitalismus gespiegelt: alternative Informationsbeschaffung via Social Media, sozial prekärere Zusammensetzung als die alte, doch recht bürgerlich-gediegene Friedensbewegung der 80er.
Auch dies könnte eine Chance darstellen, schließlich müssen die soziale Frage und die Friedensfrage zusammen gedacht werden.
Einige inhaltliche Probleme teilt die »neue Friedensbewegung« mit traditionskommunistischen Teilen der alten Friedensbewegung, beispielsweise die Unfähigkeit oder den Unwillen, reaktionäre Regime und Regierungen bzw. globale gesellschaftliche Strömungen auch als solche zu benennen, sofern sie nicht mit den USA verbündet sind: seien es Russland, der Iran oder islamistische Bewegungen.
Aufgrund eines fehlenden materialistischen Analyserahmens der globalen Verhältnisse tendieren einige wesentliche Teile der »neuen Friedensbewegung« zu verschwörungsmythologischen Komplexitätsreduktionen.
Eine klare Zuweisung dieser »neuen Friedensbewegung« und ihrer Akteure nach rechts, würde dem Phänomen wie auch den engagierten Personen dennoch nicht gerecht.
3.
Die alte Friedensbewegung befindet sich nun in einem Konflikt.
Wie soll sie sich zu dieser Kraft stellen, die – gestärkt durch ihre Straßenpräsenz während der Coronakrise – an manchen Orten der Bundesrepublik Deutschland schon dabei ist, organisatorisch wie personell die alten Friedensbewegungsstrukturen zu überflügeln?
Die alte Friedensbewegung der 80er nahm die Kriegsgefahr im Kalten Krieg so ernst, dass sie auf Quantität, also Masse abzielte, sie trat mit expliziter Offenheit gegenüber allen politischen Kräften in der BRD auf.
Dadurch war die Friedensbewegung zwar nie eine homogen linke Bewegung, aber eine relevante und sichtbare Kraft in der alten BRD des Kalten Kriegs.
Wollte man sich in diese Tradition stellen, so wären die Reste der alten Friedensbewegung aufgerufen, alle Menschen mit echtem Friedenswillen zu sammeln und Berührungsängste abzulegen (das schlösse die Militaristen der AfD freilich aus!).
Nun gibt es allerdings unter Antikriegsaktiven und AntifaschistInnen eine Spaltung. Eine relevante und eher an der Spitze von linken Großorganisationen wie der VVN-BdA angesiedelte Strömung sieht die faschistische Gefahr als weit größer oder zumindest der Kriegsgefahr ebenbürtig an.
Man setzt hier auf breite Bündnisse von links bis hin zu bürgerlichen Kräften. Sie drängt darauf, die eigenen Aktivitäten »linksgeschlossen« zu halten, und attackiert andere Versuche als »rechtsoffen«.
Christian-Ditsch.de
Ostermarsch in Berlin (30.3.2024)
4.
Der Autor dieser Zeilen geht von der Analyse aus, dass die Kriegsgefahr die weit drängendere ist. Die auf Rüstung und Krieg setzenden liberal-autoritären Kräfte von Grünen, FDP bis CDU sind führend. Ihnen sekundiert eine unter neoliberalem Spardruck stehende öffentlich-rechtliche Medienlandschaft, in der viele konformistische Medienschaffende arbeitende.
Im Vergleich zu den 80er Jahren ist es für Friedensstimmen wesentlich schwieriger, gehört und gesendet zu werden, sie stehen gegen die »Kriegstüchtigkeit«, an der auch die großen Medien mitzuarbeiten scheinen.
Auch wenn es künftig zu rechtsliberalen bis rechtsradikalen Bündnissen oder gar Koalitionen kommen sollte (CDU, FDP und AfD sind sich inhaltlich vor allem in ihrer gegen die arbeitende Klasse gerichtete Politik einig, was in Hinblick auf außenpolitische Fragen – noch – nicht der Fall ist), so wird eine antimilitaristische Bewegung, die ein neuerliches »Kanonen statt Butter« sabotiert, von entscheidender Bedeutung sein.
Die Anti-AfD-Proteste dagegen haben sicherlich beachtliche Teile der Zivilgesellschaft mobilisiert, bleiben aber inhaltlich vollkommen unbestimmt. Erst über eine friedenkonstituierende wie kriegächtende sowie soziale Fragen aufwerfende Bewegung kann auch der Antifaschismus einen sozialen Gehalt bekommen oder wiedererlangen, den er längst verloren hat. In gleicher Art muss die Friedensbewegung zu einem kritischeren Inhalt kommen.
5.
Bündnisse sollten mit Kräften geschlossen werden, die tatsächlich für eine friedvolle, sozial gleiche und internationalistisch gerechte Welt streiten.
Der Weg dorthin sollte durch klare Analysen und rationale Theorien geebnet werden. Die Friedensbewegung ist aufgerufen – in Redebeiträgen und Aufrufen zu ihren Aktivitäten –, die kapitalismustheoretischen und imperialismuskritischen Grundlagen ihrer Praxis zu festigen.
Natürlich schließt dies ein organisatorisches Bündnis und eine Zusammenarbeit mit Verschwörungsmythologen wie beispielsweise der Kölner Arbeiterfotografie oder mit den esoterischen Kräften der Partei »Die Basis« aus.
Sie sollten keine Rede- und Organisationsmacht bekommen.
Allerdings muss die Friedensbewegung daran arbeiten, dass sie solche Personenkreise auf Demonstrationen zu dulden versteht, mit ihnen ins Gespräch kommt, sie freundlich, aber mit bestimmten und guten Argumenten, in ihre Grenzen weist.
Eine Anwesenheit von Nazis sollte als Versammlungsleitung immer unterbunden werden. Den sowohl von außerinstitutionellen, vormals »antideutsch« genannten Gruppen wie von manchen herrschenden Medien und Politikern kommenden Vorhaltungen, man wäre »rechtsoffen«, man solle sich noch mehr distanzieren oder gar den Kreis der geduldeten DemonstrationsteilnehmerInnen noch enger ziehen, sollte souverän begegnet werden.
Auch der »Querfront«-Begriff wird derzeit viel zu beliebig und unbestimmt verwendet, als dass er analytische und handlungs-anleitende Kraft hätte.
Das aus welchen Gründen auch immer motivierte Geschäft dieser »Kritiker« der Friedensbewegung ist das der Denunziation von Friedenspolitik in der »Zeitenwende«.