Ab wann war Scholz über BND-Erkenntnisse zur Rolle Kiews bei Nord-Stream-Anschlag informiert?
Erstellt von Redaktion am 30. August 2024
26. August 2024 um 10:00 Ein Artikel von:
Florian Warweg (von den NachDenkSeiten)
Laut bisher nicht dementierten Recherchen des Wall Street Journals (WSJ), mit Verweis auf mehrere hochrangige Quellen in der Ukraine und Deutschland, soll sich der damalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, für die Planung und Durchführung des Terrorangriffs auf Nord Stream 1 und 2 verantwortlich gezeigt und Präsident Selenskyj höchstpersönlich sein Einverständnis gegeben haben. Detaillierte Informationen seien bereits Anfang Oktober 2022 vom niederländischen Auslandsgeheimdienst MIVD dem BND zugeleitet worden. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ab welchem Zeitpunkt der Kanzler von seinem Auslandsgeheimdienst über die Erkenntnisse des niederländischen Partnerdienstes informiert worden war.
Hintergrund
Laut dem WJS-Artikel leitete Anfang Oktober 2022, also kurz nach den Terror-Anschlägen gegen die zivile Energieinfrastruktur Nord Stream 1 und 2, der niederländische Auslandsgeheimdienst umfassende Informationen zu den Tätern an die Partnerdienste in den USA und Deutschland weiter. Diese Informationen waren laut dem US-Medium sehr detailliert und wiesen auch klar auf eine staatliche ukrainische Urheberschaft hin. Mit anderen Worten: Die deutschen Geheimdienste waren bereits kurz nach den Anschlägen über die mutmaßlichen Täter im Bilde. Das führt zu der Frage: Haben die deutschen Geheimdienste diese Informationen nicht an die Regierung weitergegeben? Haben sie die Informationen weitergegeben und die Regierung hat sie verschwiegen und in der Öffentlichkeit bewusst Falschinformationen streuen lassen?
Aussagen nicht namentlich genannter hochrangiger deutscher Politiker legen dies laut WSJ nahe – demnach habe man offenbar Angst gehabt, den öffentlichen Rückhalt für die militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine zu verlieren. Offen ist zudem, ob die genannten Geheimdienstinformationen an die zuständigen Ermittlungsbehörden weitergegeben wurden. Laut WSJ geschah dies „aus Geheimhaltungsgründen“ nämlich nicht. Wenn das so stimmt, haben die deutschen Geheimdienste die Ermittlungen mit Vorsatz torpediert. Auch das wäre ein Skandal.
Ein weiterer – in Teilen bereits bekannter – Aspekt ist die eigenwillige Rolle Polens bei den Anschlägen. So haben polnische Stellen das Sabotageteam nicht nur frei gewähren lassen, sondern auch sämtliche Ermittlungen deutscher Behörden torpediert. Mal wurden falsche Informationen gegeben, mal wurden die Ersuche der deutschen Ermittler ignoriert, mal wurden Beweismittel, wie die Aufnahmen einer Sicherheitskamera im Hafen Kolberg, vernichtet.
Das passt, wie bereits Jens Berger in seinem Artikel „Nord-Stream-Sprengung – neue Enthüllungen bringen die Bundesregierung in Zugzwang“ herausgearbeitet hatte, gut zu einer aktuellen Recherche deutscher Medien, dass die polnischen Behörden einen von deutscher Seite übermittelten Haftbefehl gegen einen namentlich bekannten ukrainischen Tatverdächtigen ganze sechzig Tage nicht beachtet haben, nur um den Ukrainer, der seinen Wohnsitz offenbar in Polen hatte, dann in die Ukraine ausreisen (flüchten) zu lassen, wissend, dass Kiew seine eigenen Staatsbürger grundsätzlich nicht ausliefert. Eine weitere namentlich bekannte Tatverdächtige postet derweil fröhlich auf X von ihren Urlaubsplänen und prostet mit Prosecco in die Kamera – man scheint sich unantastbar zu fühlen.
Das erneut in der Bundespressekonferenz offen zur Schau gestellte ostentative Desinteresse der Regierungssprecher an Aufklärung eines der größten bekannten Terrorakte gegen zivile Infrastruktur scheint den ukrainischen Tatverdächtigen in ihrer „Ihr könnt uns nichts“-Haltung recht zu geben:
Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 21. August 2024
Frage Warweg
Laut den Ihnen sicher bekannten Recherchen des „Wall Street Journals“ soll sich der damalige Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, für die Planung und Durchführung des Terrorangriffs auf Nord Stream 1 und 2 verantwortlich gezeigt und Präsident Selenskyj höchstpersönlich sein Go gegeben haben. Detaillierte Informationen seien bereits Anfang Oktober 2022 vom niederländischen Auslandsgeheimdienst dem BND zugeleitet worden. Das führt mich zu der Frage: Ab welchem Zeitpunkt war der Kanzler von seinem Auslandsgeheimdienst über die Erkenntnisse des niederländischen Partnerdienstes informiert?
Vize-Regierungssprecher Büchner
Wie Sie wahrscheinlich den Protokollen der vergangenen Pressekonferenzen hier entnommen haben, führt die Ermittlungen der Generalbundesanwalt, und nur der kommuniziert auch über diesen Fall.
Zusatzfrage Warweg
Entschuldigen Sie, das hat relativ wenig mit dem Generalbundesanwalt zu tun. Meine Frage war: Wurde der Bundeskanzler von dem direkt dem Kanzleramt unterstellten Bundesnachrichtendienst darüber informiert, dass sowohl die niederländischen als auch die US-Geheimdienste sowohl im Vorlauf als auch im Nachlauf der Attentate dem BND Informationen haben zukommen lassen, die sehr stark auf eine staatliche Beteiligung an dem Terroranschlag gegen Nord Stream 2 hindeuten und in denen in beiden Fällen auch nach der aktuellen Informationslage die Ukraine als staatlicher Akteur genannt wurde?
Büchner
Ich habe Ihre Frage verstanden, aber ich bleibe bei meiner Antwort. Wie Sie wissen, wird über etwaige Geheimdienstinformationen hier nicht informiert.
Titelbild: NachDenkSeiten, Regierungspressekonferenz vom 21. August 2024
Parlamentarischer Untersuchungsausschuss deckt auf: Einsatz von US-Agenten gegen Nord Stream 2
Im Netz der Intrigen: Eine dramaturgische Sicht auf die Nord-Stream-Geschichte
Nord-Stream-Sprengung – neue Enthüllungen bringen die Bundesregierung in Zugzwang
Abgelegt unter Innere Sicherheit, P.CDU / CSU, P.Die Grünen, P.SPD, Regierung | Keine Kommentare »