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Beschlüsse mit dem alten Bundestag: Die geballte Dreistigkeit

Erstellt von Redaktion am 18. März 2025

Ein Artikel von: Tobias Riegel  für die NachDenkSeiten

Sowohl das Verfassungsgericht als auch die LINKE hätten laut manchen Beobachtern gegen die geballte Dreistigkeit der abgewählten Mehrheit einschreiten können – aber erwartungsgemäß wurde das unterlassen. Auch wenn es legal ist: Dass der alte Bundestag noch schnell weitreichende Änderungen beschließen will, ist eine Verhöhnung und Entwertung des selber proklamierten „Kampfes für die Demokratie“. Aber die Verantwortlichen werden mit dem Winkelzug wohl durchkommen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

 

Nachdem an diesem Sonntag der Haushaltsausschuss des alten Bundestages dem Parlament empfohlen hat, die nötigen Grundgesetzänderungen für zusätzliche Schuldenaufnahmen zu beschließen, ist dafür nun eine Sondersitzung am Dienstag geplant, wie Medien berichten. Dieses Vorgehen ist wie weitere Aspekte rund um das Thema Bundestagswahl meiner Meinung nach skandalös. Auch wenn das Vorgehen der abgewählten Mehrheit nicht als illegal zu bezeichnen sein sollte, so ist es doch empörend.

AfD und LINKE hatten sich laut Medienberichten – getrennt voneinander – bemüht, die Sondersitzung zu blockieren, und stellten Anfang letzter Woche Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht. Auch Sevim Dagdelen vom BSW reichte einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht ein, um das Milliardenpaket für „Verteidigung und Infrastruktur“ zu stoppen. Aber das Gericht wies am Freitag mehrere Anträge gegen die einberufenen Sondersitzungen des alten Bundestags zurück. Die Anträge seien unbegründet, so die Richter in Karlsruhe. Der Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Volker Boehme-Neßler, schreibt in Cicero:

„Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Anträge mehrerer Abgeordneter von Linken und AfD gegen die Bundestags-Sondersitzungen verworfen. Die Entscheidungen aus Karlsruhe sind respektlos – gegenüber der Verfassung und gegenüber den Bürgern.“

Zum vom Verfassungsgericht nicht gestoppten Winkelzug des alten Bundestages schreibt sogar das Redaktionsnetzwerk Deutschland:

„Die Kanzlerschaft von Friedrich Merz wird nicht nur auf einer veritablen Wählertäuschung basieren, sondern auch auf einer Abkehr von bisherigen politischen Gepflogenheiten. Diese bestanden darin, nach einer Wahl mit dem alten Bundestag keine weitreichenden Beschlüsse mehr zu fassen. Wie sinnvoll das ist, zeigt sich gerade im aktuellen Fall der geplanten Grundgesetzänderung. (…) Die Mütter und Väter des Grundgesetzes würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, wie heutzutage mit ihrer damals sehr sorgsam austarierten Verfassung umgegangen wird.“

Das Verfassungsgericht und das BSW

Das Verfassungsgericht hat zusätzlich zu den Anträgen zum Thema alter Bundestag Anträge des BSW und Anderer zur Klärung von umstrittenen Wahlergebnissen abgelehnt, wie das Gericht in einer Pressemitteilung erklärt:

„Mit Beschlüssen vom heutigen Tag hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Anträge abgelehnt, die letztlich darauf zielen, eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen zum 21. Deutschen Bundestag wegen vermeintlicher Auszählungsfehler noch vor der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses zu erreichen. Die Anträge, im Einzelnen der Antrag im Organstreitverfahren der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW), die Verfassungsbeschwerde von Parteimitgliedern und Wahlberechtigten sowie die isolierten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Vorgriff auf eine Wahlprüfungsbeschwerde von Wahlberechtigten, sind unzulässig.“

Reaktionen auf diese Entscheidung des Verfassungsgerichts finden sich in der Frankfurter Rundschau oder auf X hier oder hier.

Könnte die LINKE die Kriegskredite noch verhindern?

Zurück zur Frage der Abstimmung durch den alten Bundestag. Nach Ansicht mancher Beobachter könnten LINKE und AfD gemeinsam auf das sofortige Zusammentreten des neu gewählten Bundestages bestehen und damit dem fortgesetzten Wirken des alten Bundestags einen Riegel vorschieben. Ob sich das von Gesetzestexten so ableiten lässt, zu dieser Frage gibt es allerdings eine juristische Diskussion.

Vonseiten des BSW und der AfD gibt es nun Aufrufe an die LINKE, die Kriegskredite durch eine Abstimmung mit der AfD zu verhindern. Die LINKE hat das erwartungsgemäß abgewehrt: „Wir als Linke arbeiten weder in dieser noch in einer anderen Frage mit der verfassungsfeindlichen AfD zusammen“, erklärte LINKEN-Parlamentsgeschäftsführer Christian Görke am Sonntag laut Medien. Zudem gebe es für das Vorgehen der AfD keine Rechtsgrundlage. Gregor Gysi von der LINKEN argumentiert auf der juristischen Ebene folgendermaßen, wie er auf X geschrieben hat:

„Die Auffassung der AfD und auch des Herrn Ulrich Vosgerau, dass die neuen Abgeordneten von AfD und Linken zusammen die unverzügliche Einberufung des neuen Bundestages verlangen und erreichen können, ist schlicht und einfach juristischer Unsinn. (…)Die künftigen Abgeordneten können überhaupt keinen zulässigen Antrag an die bisherige Bundestagspräsidentin stellen, weil sie noch keine Abgeordneten im Sinne des Grundgesetzes sind. Voraussetzung ist die Konstituierung des Bundestages. Erst dann beginnen die Rechte der Abgeordneten. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass auch die Abgeordneten des neuen Bundestages die Konstituierung beschließen können. Die Regelung von einem Drittel der Abgeordneten gilt in diesem Falle aber nicht. (…).“

Der von Gysi erwähnte Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau schreibt dagegen zu der Frage in einem längeren Beitrag auf X unter anderem:

„Unser Versuch, den verfassungsändernden Staatsstreich der noch-Mehrheit im bereits abgewählten Bundestag doch zu unterbinden, ist im Kern gar nicht unsere eigene Idee, sondern folgt unmittelbar einer Anregung des BVerfG. Wir hatten gegenüber dem BVerfG sorgfältig dargelegt, daß eine Einberufung des alten Bundestages geraume Zeit nach Konstituierung der Fraktionen des neuen Bundestages und einen Tag vor Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Bundestagswahl (ab dem wohl auf jeden Fall der neue und nicht der alte Bundestag einzuberufen gewesen wäre!) nicht in Frage kommt, sondern, wenn schon, durch die Bundestagspräsidentin der neue Bundestag zu konstituieren gewesen wäre und sich dann auch über Vorschläge zur Verfassungsänderung hätte unterhalten können. (…).“

Auch Sahra Wagenknecht vom BSW sagte zu der Frage laut Medien, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Ablehnung der oben erwähnten Eilanträge noch einmal darauf hingewiesen habe: „Der neue Bundestag muss zusammentreten, wenn ein Drittel der Abgeordneten das verlangt“. Wagenknecht rief die LINKE zur Abstimmung auf, um „das größte Schulden- und Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik“ zu verhindern. Dafür müsse die LINKE auch gar nicht mit der AfD zusammenarbeiten. „Sie müsste der Präsidentin des Bundestages einfach nur mitteilen, dass sie die sofortige Einberufung des neuen Bundestages verlangt“, sagte Wagenknecht dem RND.

In einem aktuell kursierenden Offenen Brief an die LINKE werden die Parlamentarier dringend gebeten „den Bundestag spätestens am 18.03.2025 um 8:00 Uhr zu konstituieren und die erste Sitzung einzuberufen, um eine geplante Verfassungsänderung zu verhindern“. Sevim Dagdelen vom BSW schreibt auf X:

„Die #Linke hat die historische Chance, die #Kriegskredite für unbegrenzte Aufrüstung zu verhindern. Sie müsste nur ein Mal über das unsinnige Brandmäuerchen springen, um mit den falschen das Richtige zu machen: den neu gewählten Bundestag einzuberufen und so den Kriegsbesoffenen die rote Karte zeigen.“

In dem relevanten Artikel 39 des Grundgesetzes heißt es laut Medien: „Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages.“ In Absatz 3 sei zudem geregelt: „Der Bundestag bestimmt den Schluss und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.“ Von insgesamt 630 Sitzen im neuen, 21. Bundestages entfallen auf AfD und Linkspartei zusammen 216 Sitze, ein Drittel liegt bei 210 Sitzen.

Delegitimierung des Staates?

Die vergangenen Tage waren geprägt vom extrem fragwürdigen Vorgehen der abgewählten Mehrheit im Bundestag. Dazu kam am Wochenende der unverblümte Jubel zahlreicher Journalisten über den „Coup“ der Grünen, die sich in den Verhandlungen zu dem Schulden-Deal „teuer verkauft“ hätten.

Es mag legal sein, mit den alten Mehrheiten noch schnell über eine weitreichende Zukunft bestimmen zu wollen. Trotzdem ist der mit zielstrebiger Entschlossenheit begangene Schritt ein Schlag ins Gesicht der Wähler und eine Verhöhnung der eigenen Floskeln zum „Kampf für die Demokratie“. Angesichts des durch das Handeln der alten Mehrheit verursachten Vertrauensverlusts bei vielen Wählern könnte man ja fast von einer versuchten Delegitimierung des Staates sprechen.

Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=130303

 

Titelbild: Ryan Nash Photography / shutterstock.com

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Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Keine Brandmauer zur AfD

Erstellt von Redaktion am 26. Februar 2024

BSW: Keine Brandmauer zur AfD

Bei der Gründungsversammlung vom BSW Sachsen ließ

die Parteivorsitzende Wagenknecht eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen offen.

Entscheidend sei für sie nur, „ob eine Forderung richtig oder falsch ist“, sagte sie.

Auch Kooperationen mit der CDU seien möglich.

Zwar werde die Partei nicht mit Extremisten wie Höcke zusammenarbeiten.

Die AfD-Bundesvorsitzende Weidel vertrete allerdings

„keine rechtsextremen Positionen, sondern konservativ-wirtschaftsliberale“.

Quelle:

101 ntv text So 25.2. 18:04:08

o 25.2. 18:04:08

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Regierungs-Agitation gegen alternative Medien

Erstellt von Redaktion am 3. Februar 2024

 

 

FOCUS: Mit Nazi-Geld diffamieren

Regierungs-Agitation gegen alternative Medien

Autor: Uli Gellermann – Datum: 31.01.2024

 

Der FOCUS, eine billige SPIEGEL-Kopie,

schwimmt mit seiner jüngsten Ausgabe auf der ‚Alle-sind-Rechts—Nur-wir-nicht“-Welle.

Unter der Überschrift „Hetze und Headlines“, werden alternative Medien wie die „Nachdenkseiten“, RT Deutsch und „apolut“ in eine rechtsextreme Schublade gesteckt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung leisten sich die FOCUS-Schreiber nicht. Das würde sie nicht nur intellektuell überfordern, sondern könnte, wenn man die genannten Medien zitieren würde, selbst bei den FOCUS-Lesern Interesse an echtem Journalismus auslösen.

Keine Entnazifizierung in der Bundesrepublik

Eine ernsthafte Entnazifizierung hat es in der Bundesrepublik nie gegeben. Das gilt für Justiz und Polizei, in der nicht selten die alten NAZI-Funktionsträger ohne große Umstände im demokratischen Mäntelchen einfach weitermachten. Vor allem aber galt und gilt dieses organisierte Wegsehen und Verschweigen für die Erben des in der Nazizeit erworbenen Reichtums, zusammengerafft durch Sklavenarbeit und den Raub jüdischen Eigentums. Zu diesen Erben gehört auch jener Burda-Verlag, der den FOCUS herausgibt.

Burda profitierte von der Arisierung

Schon im April 1933 betonte Franz Burda öffentlich die nationalsozialistische Gesinnung seines Betriebes. Er erklärte, keine jüdischen Mitarbeiter oder Gesellschafter zu haben. Im Rahmen der Arisierung (auch „Entjudung“ genannt) nutzte Burda im September 1938 die Gelegenheit, die Druckerei Gebrüder Bauer in Mannheim günstig zu kaufen. Die Gesellschafter der Druckerei waren Juden: Berthold, Karl und Ludwig Reiss. Es handelte sich um einen der größten und modernsten Druckereibetriebe des Deutschen Reiches; er beschäftigte 250 bis 300 Mitarbeiter, war voll ausgelastet und erzielte einen Jahresumsatz von 1,5 bis 2 Millionen Reichsmark. Die Nazi-Herrschaft drückte den Kaufpreis: Burda erwarb das Unternehmen preiswert.

Betreutes Demonstrieren

Es ist ein bitterer Witz, dass ausgerechnet ein Medium, dessen Finanzquellen sich aus altem Nazi-Geld speisen, heute anderen den falschen Vorwurf des Rechtsextremismus anhängt. Allerdings liegt der FOCUS damit voll im Regierungstrend der Rechts-Denunziation. Der regierungkonforme Berliner „Tagesspiegel“ annoncierte „Bundesweite Termine für Demos gegen rechts“. Der Staatsfunk MDR titelt „Wieder Zehntausende bei Demos gegen Rechts“ auch die berüchtigte „Tagesschau“ weiß „Zehntausende protestieren gegen rechts“. Da kann der SWR nicht abseits stehen und berichtet von „2000 Menschen in Bad Kreuznach“. Und wer die ruppige Polizei bei anderen Demos erlebt hat, der kann sich über das neue, das polizeilich betreute Demonstrieren durch die Staatsgewalt nur wundern. Sogar in Bielefeld, erzählt uns die „Neue Westfälische“, demonstrierten „Mehr als 25.000 Menschen gegen Rechtsextremismus“. Beobachter berichten über offenkundig geschönte Zahlen.

Zustimmung in den Umfragen sackt weiter

Wer an den Aktionen der kassischen außerparlamentarischen Opposition teilnahm, kennt ein ganz anderes Medien-Bild: Zwischen dem radikalen Kleinreden der Zahlen und dem totalen Verschweigen war alles möglich. Das ist bei den neuen, geradezu amtlichen Demos, ganz anders. Während die Zustimmung in den Umfragen weiter sackt, organisiert sich der Staat seine Zustimmung in den Medien und auf der Straße. Das skurrile Gebaren ist der alberne Versuch einer parlamentarische Demokratie, ihr Heil auf der Straße zu finden.

Segen der Kirchen

Dass die Demonstrationen den Segen der Kirchen finden, rundet das Bild ab: Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, sagte, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger „die besten Bollwerke gegen Fanatismus“ seien. Und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hatte jüngst die Teilnahme vieler Menschen an den Demonstrationen als ‚ermutigend‘ bezeichnet: „Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Verächtern der Demokratie und des Rechtsstaats überlassen“. Wer am Tropf der staatlichen Kirchensteuer hängt, der weiß genau, wer ihm das Überleben sichert. Dass solche devoten Äußerungen eher peinlich sind, scheint den Würdenträgern nicht aufzufallen.

Totales Regime?

Diese unheimliche Geschlossenheit der deutschen Öffentlichkeit kennt man sonst eher aus totalitären Regimen. So wächst denn der Verdacht, dass panische Reaktionen gegen eine angebliche rechte Gefahr eher der Vertuschung einer weiteren Rechtsentwicklung der Regierung und ihrer Medien dienen sollen.

Quelle:

https://www.rationalgalerie.de/home/focus-mit-nazi-geld-diffamieren

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Rechtsruck – Potential vorerst ausgeschöpft – Thüringen: AfD-Kandidat für Landratsamt in Stichwahl knapp geschlagen. – Rechtsaußenpartei dennoch deutlich stimmenstärkste Kraft im Landkreis

Erstellt von Redaktion am 30. Januar 2024

Von Nico Popp

IMAGO/Jacob Schröter

Angeschmiert: Wahlplakat mit dem Konterfei des AfD-Kandidaten Uwe Thrum (Schleiz, 28.1.2024)

Erneut hat die Thüringer AfD ein kommunales Spitzenamt knapp verpasst. Wie schon im September vergangenen Jahres in Nordhausen, als der Oberbürgermeisterkandidat der Höcke-Partei zunächst wie der sichere Sieger aussah und dann doch noch abgefangen wurde, unterlag nun auch der AfD-Bewerber für den Landratsposten im Saale-Orla-Kreis, Uwe Thrum, in einer Stichwahl. Thrum war vor zwei Wochen im ersten Wahlgang mit 45,7 Prozent der Stimmen in die Nähe der absoluten Mehrheit gekommen. In der Stichwahl lief er mit 47,6 Prozent ein, steigerte sein Ergebnis also noch einmal. An ihm vorbei zog allerdings der CDU-Kandidat Christian Herrgott, der seinen Stimmenanteil von 33,3 Prozent auf 52,4 Prozent hochschrauben konnte. Die Wahlbeteiligung, die schon im ersten Wahlgang für eine Kommunalwahl sehr hoch lag – nämlich bei 66 Prozent –, stieg am Sonntag noch einmal um drei Prozentpunkte an.

Das Resultat ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen zeigt es, dass die AfD in dem Landkreis die mit Abstand wählerstärkste Partei und dicht an einer absoluten Mehrheit dran ist. Diese Tatsache sollte mit Blick auf die Landtagswahl im September eher nachdenklich stimmen; sie spielte indes in den Freudenbekundungen aus der Landes- und Bundespolitik am Sonntag abend und am Montag überhaupt keine Rolle.

Dabei ist die AfD in diesem Teil Thüringens in einer Stichwahlkonstellation derzeit nur dann zu schlagen, wenn die Wähler aller anderen Parteien ihre Stimmen auf den verbliebenen Nicht-AfD-Kandidaten konzentrieren. Dass das politisch auf die Dauer nicht durchhaltbar ist, liegt auf der Hand. Vor dieser Stichwahl hatte die SPD direkt zur Wahl Herrgotts aufgerufen, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich auf die Empfehlung beschränkt, nicht den AfD-Kandidaten zu wählen.

Zweitens zeigt die Wahl, dass es eine relative Grenze der Reichweite der AfD gibt, die im ländlichen Thüringen aktuell irgendwo zwischen 40 und 50 Prozent der Wählerstimmen liegt. Die AfD schöpfte dieses Potential bereits im ersten Wahlgang nahezu vollständig aus. Sie mobilisierte auch im Saale-Orla-Kreis sehr viele bisherige Nichtwähler sowie Erstwähler und trieb so die Wahlbeteiligung hoch. Ihr gelang es aber wie schon in Nordhausen nicht, über diesen Wählerkreis im zweiten Wahlgang hinaus noch einmal nennenswert weitere Wähler zu erreichen. Thrum konnte am Sonntag nur rund 1.700 zusätzliche Stimmen auf sich ziehen.

Welche Faktoren hier den Ausschlag gegeben haben, ist vorläufig nicht recht klar. Der Einfluss der derzeitigen bundesweiten Demonstrationen gegen rechts sollte nicht allzu hoch veranschlagt werden, denn der eben beschriebene Mechanismus griff ja auch schon in Nordhausen. Und offensichtlich ist, dass die vorhandene AfD-Wählerschaft in dem Landkreis angesichts der Demonstrationen nicht abgebröckelt ist. Außerdem speisen sich die Stimmengewinne Herrgotts relativ und absolut offensichtlich vor allem aus den Stimmenkontingenten anderer Parteien – es hat also, wenn überhaupt, unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklungen nur eine sehr begrenzte zusätzliche Wählermobilisierung zu seinen Gunsten stattgefunden.

Herrgott, der auch Generalsekretär der Landes-CDU ist, hat am 9. Februar seinen ersten Arbeitstag als Chef der auch bisher schon CDU-geführten Kreisverwaltung. Die hatte übrigens wenige Tage vor dem zweiten Wahlgang in Richtung potentieller AfD-Wähler geblinzelt und mitgeteilt, dass schon zum 1. Februar eine Bezahlkarte für Geflüchtete im Landkreis eingeführt werden solle. Das ist – begleitet von »Erfolgsmeldungen« über daraufhin abgereiste Asylsuchende – bereits in einigen weiteren Thüringer Landkreisen geschehen. Auch so werden die Kommunalwahl im Mai und die Landtagswahl im September vorbereitet.

Die AfD, die das zweite Landratsamt in Thüringen angestrebt hatte, gab sich nach der Wahlniederlage unbeeindruckt. Parteivertreter machten die Mobilisierung gegen rechts in den vergangenen Tagen und Wochen als Ursache aus. Landeschef Björn Höcke befand, dass es »die gegnerischen Kräfte des ganzen Landes« gebraucht habe, um das Blatt zu wenden. »Wir haben einen Kandidaten aufgestellt, und alle anderen Parteien und Fraktionen haben sich hinter einem anderen Kandidaten, sozusagen, verschanzt, und der hat ganz knapp gewonnen«, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/468241.rechtsruck-potential-vorerst-ausgesch%C3%B6pft.html

 

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