Staat und RAF – Wurzeln der Gewalt – Politische Betrachtungen zur Verhaftung von Daniela Klette
Erstellt von Redaktion am Dienstag 5. März 2024
Von Karl-Heinz Dellwo
BKA/dpa
Die Fahndungsfotos und Alterssimulationen des Bundeskriminalamts von
Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette (v. l. n. r.)
Karl-Heinz Dellwo schloss sich 1975 der RAF an.
Er wurde 1977 verhaftet und
zu einer zweimal lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Dellwo sagte sich vom bewaffneten Kampf los und
wurde 1995 aus der Haft entlassen.
Heute ist er Filmemacher und
gründete 2019 mit Gabriella Angheleddu in Hamburg
Nach 30 Jahren Fahndung wird eines der drei noch immer gesuchten (ehemaligen)
RAF-Mitglieder verhaftet.
Die Geschichtsschreibung, sagen Historiker, verändert sich permanent.
In den Schlagzeilen nach der Verhaftung von Daniela Klette erkennt man das nicht.
Der Jargon und die entpolitisierte Rahmung sind die gleichen geblieben.
Auch
54 Jahre nach dem Entstehen der RAF,
31 Jahre nach ihrer letzten Aktion und
26 Jahre nach ihrer Auflösung.
Man zählt die Toten.
Die toten Mitglieder aus den bewaffneten Gruppen,
die vielen Toten im Gefängnis.
Die »Kollateralschäden« der Polizei bei Fahndungsmaßnahmen
werden dabei selten benannt.
Auch nicht jener Zustand der Nach-Nazi-BRD, in
deren Politik,
deren Polizei,
deren Justiz und in
deren Medien
neu eingekleidete Nazis saßen, oft Massenmörder erster Güte.
Von der »Verteidigung« Berlins im Vietnamkrieg nicht zu sprechen.
Skandalisiert werden Überfälle auf Geldtransporter,
doch die dabei geraubten Summen
sind im Verhältnis zum Milliardenraub in Cum-ex-Geschäften
durch Politik und Wirtschaft eher eine Bagatelle.
Ich würde hier gerne ein anderes Bild zeichnen:
War die RAF wirklich die gewalttätigste Gruppe,
die aus der 68er Bewegung hervorgegangen ist?
Ich habe erhebliche Zweifel daran.
Personen wie Joseph Fischer, die in den 70er Jahren noch
die Parole »Werft die Knarren weg, nehmt Steine« ausgaben,
haben, kaum waren sie in Machtpositionen gelangt,
ihre inhärente Gewaltbereitschaft staatlich ausgelebt,
nicht zuletzt im völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien.
Wer heute dem grünen Munitionsexperten Anton Hofreiter oder
Marieluise Beck und ihrem Ehemann, dem einst
der »Vernichtung des Kapitals« verpflichteten KBW-Funktionär Ralf Fücks, zuhört,
steht entsetzt vor einer maßlosen Gewaltbereitschaft und Kriegshetze,
die irgendwann niemand mehr im Griff haben wird – und
die zu einer erneuten Zerstörung Europas führen kann.
Ich möchte auf einen weiteren fundamentalen Unterschied hinweisen:
Die RAF hat sich gegen das imperiale System des Kapitalismus gestellt.
Ein relevanter Teil der Nachkriegs- und Enkelgeneration tritt heute
mit aller Gewalt für den Fortbestand genau dieses Kapitalismus ein.
Von dessen »wertebasierter Liberalität« glaubt sie sich moralisch legitimiert,
konkurrierende Kapitalismen wegzufegen,
weil die Konkurrenten nicht »liberal«, sondern »autoritär« seien.
Als wären sie nicht den gleichen Marktgesetzen unterworfen.
Dabei liegt die »Liberalität« des Westens unterm Strich nur
im Zubilligen kostenloser Freiheiten, die so lange gültig sind,
wie eine Prämisse immer unangetastet bleibt:
die Unterwerfung unter das Prinzip der Verwertung von Mensch und Natur.
piemags/imago
Irgendwann reicht’s: Graffiti gegen die RAF-Hatz in Amsterdam, 1977
Wenn ich mir die Geschichte der RAF und
anderer bewaffneter Gruppen anschaue, dann standen diese,
wie damals viele,
gegen die ökonomisch bestimmte Fortsetzung einer Vergangenheit,
die nach 68 niemand mehr hätte fortsetzen dürfen.
Die barbarisch werdende Zukunft war vorhersehbar.
Wäre diese Erkenntnis
Ausgangspunkt gesellschaftlichen Handelns geblieben,
wären wir heute nicht da, wo wir sind:
in einer immer rasender werdenden Destruktion.
Die RAF hatte diese Sicht als Ausgangspunkt.
Es geht mir dabei nicht darum,
die Praxis der RAF zu legitimieren oder gar zu heroisieren.
Gescheitert ist gescheitert.
Doch zwingt uns die heute
unverkennbar gewordene Gewalttätigkeit
der global herrschenden Verhältnisse,
hier eine andere historische Wertung vorzunehmen.
Dabei geht es auch um das Maß der Verlogenheit,
die heute in allen politischen Bereichen Normalität geworden ist und
ihre Substanz in einer erneuerten alten Moral hat,
nach der Krieg »Frieden« ist und die Forderung
nach Frieden und einem Ende des Krieges »Kapitulation«.
Eine andere Zukunft
Es ist für mich deshalb nebensächlich,
ob Daniela Klette oder die anderen Gesuchten
tatsächlich Geldtransporter überfallen haben.
Von irgend etwas mussten sie leben.
Der ganze Kapitalismus
beruht auf Diebstahl und ungleichem Tausch.
Bedeutender ist doch:
Diejenigen, die diese Transporter überfallen haben,
haben ihre politische Bestimmung dabei nicht verloren.
Sie haben ihre Not, sich finanzieren zu müssen,
nicht über das Leben der anderen gesetzt und
ihre Aktion eher abgebrochen, als sie zu eskalieren.
Auch für etwas anderes ist diesen RAF-Mitgliedern zu danken:
Sie haben 1998 die bittere Erkenntnis gehabt, gescheitert zu sein.
Sie haben dieses Scheitern akzeptiert und
die lange Phase des bewaffneten Kampfes beendet.
Nirgends
in der Politik und
in großen Teilen der Gesellschaft
findet sich dagegen die Bereitschaft,
die Unvermeidlichkeit einer weltweiten Umbruchsituation zu akzeptieren und dementsprechend zu handeln,
statt weiter aus der Etappe bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen oder die maßlose Vergeltung in Gaza als »legitim« zu betrachten.
Wenn es eine andere Zukunft
als eine umfassende Zerstörung geben soll,
dann müssen wir aus den bestehenden Logiken und überkommenen Rationalitäten aussteigen.
Beendet den Krieg.
Freiheit für Julian Assange.
Für eine politische und damit auf Freiheit ausgerichtete Perspektive für Daniela Klette und
die noch gesuchten Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub.
Quelle: Aus: Ausgabe vom 02.03.2024, Seite 11 / Feuilleton
Dienstag 5. März 2024 um 11:10
Es ist ein intersubjektiver Tatbestand, daß die Personen der „Roten Armee Fraktion“ der vom Muster ihrer Kapitalverbrechen den Nazis in nichts nachgestanden haben.“ Diese Personen der Roten Armee Fraktion“ hätten ihren Geist weiter verwenden sollen, politisch zu wirken. Wie das Nutzen ihrer Grundrechte. Ob innerhalb einer Partei oder auch außerhalb einer Partei.
Sie hätten in eine Organisation der Sozialverbände wie einer Gewerkschaft des DGB eintreten können. Welchen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland der sogenannten Arbeiterklasse ging es durch die „Rote Armee Fraktion“ besser ? Welchem Menschen in der Dritten Welt wurde die Lebensqualität verbessert durch die Handlungen der „Roten Armee Fraktion“ ?
Der vom linken Niederrhein stammende Joseph Beuys mit Bezüge zu Krefeld, Kranenburg, Kleve hat mit seiner Kunst in Düsseldorf oder dem Lied „Sonne statt Reagan“ https://www.youtube.com/watch?v=q1ugBlAxbF4 mehr in der Wirklichkeit bewerkstelligt. Er war der Mensch durch denen die Grünen bis zur Stunde das Symbol der Sonnenblume zu verdanken haben.
Zitat:
Es gibt keinen guten Extremismus.“
Jimmy Bulanik
Dienstag 5. März 2024 um 14:46
Hallo Ihr zusammen,
besser hätte man die inheränten Widersprüche unseres sogenannten demokratischen Regierungungssystems nicht auf den Punkt bringen können….
Dr. Nikolaus Götz, Saarbrücken,
Querdenker, Vordenker, Nachdenker, Mitdenker, Putinversteher… und wie hieß es 1977 mit „Deutschland im Herbst“ im Mainstream: „Bist Du etwa gar ein ‚Sympathisant'“????
Dienstag 5. März 2024 um 14:47
Hallo Ihr zusammen,
besser hätte man die inheränten Widersprüche unseres sogenannten demokratischen Regierungungssystems nicht auf den Punkt bringen können….
Dr. Nikolaus Götz, Saarbrücken,
Querdenker, Vordenker, Nachdenker, Mitdenker, Putinversteher… und wie hieß es 1977 mit „Deutschland im Herbst“ im Mainstream: „Bist Du etwa gar ein ‚Sympathisant'“????