Mit Veranstaltungen in Offenbach, Frankfurt, Witzenhausen und Marburg sind die traditionsreichen Ostermärsche am Montag zu Ende gegangen.
Unter dem Motto "Friedensfähig stattkriegstüchtig" sind zum Mittag auf dem Frankfurter Römerberg rund 1.100 Demonstranten zusammengekommen.
Redner forderten Initiativen der Bundesregierung zur Ächtung und Abschaffung von Atomwaffen, Uranmunition und Landminen.
Seit Karfreitag fanden in Hessen Ostermärsche statt. In Kassel kamen am Samstag rund 800 Menschen, in Wiesbaden beteiligten sich rund 400 Menschen.
US-Außenminister Marco Rubio (1. v. l.) mit seinen Amtskollegen Jean-Noël Barrot (Frankreich), David Lammy (Großbritannien) und mit Günter Sautter, Politischer Direktor des deutschen Auswärtigen Amtes
So, so. Laut SPD-Chef Lars Klingbeil »muss« Deutschland größter militärischer Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben. Aber von welchem Zwang redet Klingbeil da eigentlich? Müssen muss Deutschland da überhaupt nichts; es geht um den Berliner Anspruch auf eine Führungsrolle bei der Einflussnahme auf das, was jetzt und nach einem eventuellen Friedensschluss in der Ukraine passiert, und nur von diesem Standpunkt lässt sich das »muss« erklären. Und wieder einmal ist es die SPD, die diesen makabren Unsinn verbreitet.
Denn hinter den Kulissen wird auch innerhalb der EU erkennbar mit harten Bandagen um die Hegemonie jetzt und später gekämpft. Die beiden kleineren Atommächte Frankreich und Großbritannien preschen mit ihren Plänen für eine Friedenstruppe vor – und werden nach allem, was man zwischen den Zeilen lesen kann, von ihren geschätzten Partnern dabei allenfalls verbal unterstützt. Schon Großbritannien will sich offenbar auf eine Überwachung des eventuellen Waffenstillstands aus der Luft und von See aus beschränken. Pardon: Es gibt ja noch die baltischen Staaten, die auch Truppen schicken wollen. Wie bedeutend ihr Beitrag sein kann, ergibt sich schon daraus, dass die Streitkräfte jedes dieser Länder Personalstärken im vier- oder allenfalls niedrigen fünfstelligen Bereich aufweisen. Nur für markige Sprüche sind sie immer gut; sie wissen, dass ihre politische Bedeutung ausschließlich davon abhängt, dass der Konflikt mit Russland am Kochen gehalten wird. Und wer hier Koch ist und wer Kellner, darum wird innerhalb »Europas« gerade gestritten. In die Pfanne gehauen wird, um im Bild zu bleiben, dabei die Ukraine.
Man kann sich billig darüber aufregen, dass Russland keinen Frieden wolle – jedenfalls keinen, der seine politischen Kriegsziele nicht berücksichtigt. Warum sollte es? Es ist, wie gerade erst wieder das jeder Russlandfreundlichkeit unverdächtige Wall Street Journal festgestellt hat, auf dem Schlachtfeld im Vorteil und kann sich somit leisten, auf seinen politischen Kriegszielen zu beharren. Und die bestehen nicht in einem bisschen ukrainischen Territorium mit überwiegend russischsprachiger Bevölkerung, zu deren Schutz es sich berufen fühlt. Es geht Russland darum, die Ostexpansion der NATO rückgängig zu machen, die ihm sein 1945 erkämpftes strategisches Vorfeld entzogen hat. Genau darin hat der Gewinn des Kalten Krieges durch den Westen materiell bestanden. Und genau diesen Kriegsgewinn will sich »Europa« nicht nehmen lassen. US-Außenminister Marco Rubio hat signalisiert, dass den USA das Thema bald egal werden könnte. Genau wie sie einst den Vietnamkrieg zuletzt ihren örtlichen Marionetten überlassen haben. Das immerhin ist eine kleine Hoffnung, dass es nicht mehr ewig dauern wird mit dem Krieg.
Ostermärsche der Friedensbewegung richten sich gegen Aufrüstung und Militarisierung. DGB will »Anstrengungen«, um »verteidigungsfähiger« zu werden
Von Henning von Stoltzenberg
Bodo Schackow/dpa
Teilnehmer des Ostermarsches am Donnerstag in Erfurt
Lebendige Bewegung
Der erste Ostermarsch startete in diesem Jahr am 12. April in Potsdam. Am Tag darauf wurde vor dem Bundeswehr-Standort Holzdorf an der Landesgrenze von Brandenburg und Sachsen-Anhalt demonstriert. Laut Mitteilung der Informationsstelle der Ostermärsche im Frankfurter Gewerkschaftshaus beteiligten sich zahlreiche Friedensbewegte an den ersten Aktionen der Ostermarschbewegung. Gründonnerstag fanden Aktionen in Erfurt, Königs Wusterhausen, Regensburg und Freiburg statt. Karfreitag versammelte sich die Friedensbewegung unter anderem vor dem Luftwaffenstützpunkt im schleswig-holsteinischen Jagel. Nach Ansicht der Informationsstelle zeigten bereits die Vorbereitungen der diesjährigen Ostermarschaktionen eine lebendige Friedensbewegung in allen Regionen des Landes. Rund 120 Initiativen würden in den Ostertagen »um Beteiligung werben, um in diesen kriegerischen Zeiten ein Signal gegen Krieg, Aufrüstung und weitere Militarisierung zu setzen«. Am Freitag war die Rede von »gut besuchten« Aktionen unter anderem in Stralsund, Chemnitz, Jagel, Gütersloh, Gronau, Bieberach und Bruchköbel. Am Sonnabend beginnt auch der dreitägige Ruhrostermarsch mit Veranstaltungen in Köln, Duisburg, Düsseldorf, Düren und Wuppertal. Die Ostermärsche seien das »Rückgrat einer lebendigen Friedensbewegung«, erklärte Willi van Ooyen für die Informationsstelle. (hst)
Die Ostermärsche der Friedensbewegung haben schon am vergangenen Wochenende begonnen; am langen Osterwochenende nun finden in der ganzen Republik kleinere und größere Kundgebungen und Demonstrationen statt. Die Organisatoren hoffen auf eine regere Beteiligung als in den vergangenen Jahren. Denn die politischen Voraussetzungen werden von Jahr zu Jahr »günstiger«: Kaum noch jemand kann im Alltag die wachsende Kriegsgefahr und die auf offener Bühne stattfindende Aufrüstung und Militarisierung übersehen. Allerdings haben die vergangenen Jahre auch sehr deutlich gezeigt, dass es der lange schon kriselnden Friedensbewegung kaum gelingt, jenen Teil der Bevölkerung, der, wie Umfragen immer wieder zeigen, relativ stabil Waffenlieferungen an kriegführende Staaten und die Aufrüstung generell ablehnt, für sichtbare Aktionen auf der Straße zu mobilisieren. Noch viel schlechter gelingt es, jenen wachsenden Teil der Bevölkerung anzusprechen, der im Bann der umfassenden »Zeitenwende«-Propaganda steht.
Die Ostermarschinformationsstelle in Frankfurt am Main sieht in einer Mitteilung die Ostermarschierer im Gegensatz zur »übergroßen Mehrheit im Bundestag von Grünen, SPD, CDU/CSU und AfD«. Diese setzten ungeachtet eines wachsenden Friedenswunsches in der Bevölkerung auf militärische Lösungen und verschwendeten Milliarden für Rüstung und Krieg. Auch in diesem Jahr sei die Hauptforderung der Ostermärsche eine Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
In diesem Jahr stehen die Ostermärsche unter dem Eindruck der jüngst noch vom alten Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderungen, die den Weg zur Mobilisierung von Milliardensummen für die Aufrüstung und eine »Kriegstüchtigmachung« der Infrastruktur eröffnen. In vielen Städten wird die Forderung erhoben, die dafür vorgesehenen 500 Milliarden Euro in zivile soziale Bereiche zu investieren. Und mit Blick auf die laufenden Kriege in der Ukraine und Gaza fordern die Ostermärsche diplomatische Initiativen zur Beendigung der Kriegshandlungen. Unter Bezugnahme auf den 80. Jahrestag der Zerstörung der japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch Atomwaffenabwürfe bleibt eine zentrale Losung die Forderung nach einer Welt ohne Atomwaffen und dem Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag. Das Netzwerk Friedenskooperative betrachtet auch die Ablehnung der für 2026 geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland als eine der Kernforderungen der Demonstrationen und Kundgebungen.
Auffallend ist, dass die teilweise heftigen Diskussionen um die Bündnisarbeit der Friedensbewegung, die in den vergangenen Jahren zu Spaltungen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher »Rechtsoffenheit« geführt haben, in diesem Jahr im Kontext der Ostermärsche kaum noch eine Rolle zu spielen scheinen.
In dem mit einer Friedenstaube versehenen obligatorische Statement des DGB-Bundesvorstandes zu den Ostermärschen ist dagegen die Rede von einer »Notwendigkeit, in Deutschland und Europa verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um gemeinsam verteidigungsfähiger zu werden«. Begründet wird das mit dem Krieg in der Ukraine und einer drohenden Neuaufteilung der Welt zwischen den USA, China und Russland. Ansonsten wünscht sich der DGB von der nächsten Bundesregierung ausreichende Mittel etwa für »Konflikt- und Krisenprävention«.